3D-Druck als ermächtigende Technologie für die Gesellschaft

Ein Teddy mit von uns 3D-gedruckten Organen für die Teddyklinik Gießen

3D-Drucker, gerade die Desktopgeräte, haben durch die günstigen Preise und das Überangebot an Modellen bereits in großen Teilen der Bevölkerung Bekanntheit erlangt. Wir beobachten jedoch immer wieder, dass hier sehr unterschiedliche und teils auch veraltete Vorstellung vorhanden sind.

Im einen Extrem herrscht die Meinung vor, es handle sich bei 3D-Druck um eine Hochtechnologie, im anderen Extrem um ein zeitintensives Nerd-Hobby, bei dem Berge an Plastikschnur zu massenweise buntem Kunststoffschrott zusammengeschmolzen werden. Doch auch wenn es günstige Geräte sind und lediglich Kunststoff verarbeitet werden kann, birgt die additive Heimfertigung große Potentiale, das Leben maßgeblich zu verbessern. Es entstehen plötzlich Möglichkeiten für die breite Masse, die zuvor nur der Industrie und Experten vorbehalten waren und ermächtigen somit die Gesellschaft dazu, sich selbst zu helfen. Der Kosmos der DIY und Open Source Community, in welcher sich der 3D-Druck besonders früh und schnell verbreitet hat, ist von einer Kultur geprägt, sich gegenseitig zu unterstützen, bereitwillig Wissen zu teilen, gemeinsam Probleme zu lösen und sich gegenseitig zu ermutigen. So ist es kein Wunder, dass die Kombination einer mächtigen kleinen Schreibtischfabrik gepaart mit einem kooperativen Machergeist unzählige Projekte hervorgebracht hat, um Menschen in Notlagen zu unterstützen. Falls du dich noch nicht eingehend mit der 3D-Druck Thematik auseinandergesetzt haben solltest, kannst du dir einen kurzen Überblick über das Prinzip des 3D-Drucks und dessen Stärken im Kasten unten verschaffen. Wenn du bereits Bescheid weißt, überspringe einfach den folgenden Abschnitt und lese direkt bei der Vorstellung der Projekte weiter.

Der 3D-Druck bzw. die Additive Fertigung | Eine Übersicht für Eilige

Beim 3D-Druck handelt es sich um eine sogenannte additive Fertigung. Das heißt ein Objekt wird produziert, indem es Schicht für Schicht aus Kunststoff, Metall, Keramik oder anderen Materialien aufgebaut wird. Im Gegensatz dazu steht die subtraktive Fertigung wie z.B. das Fräsen, bei dem ein Objekt durch das schichtweise Abtragen von Material von einem Körper produziert wird. Der schichtweise Aufbau beim 3D-Druck ermöglicht es nahezu unendlich komplexe Strukturen zu produzieren und das mit einem immer gleichbleibenden Werkzeug. 3D-Druck ist jedoch verhältnismäßig langsam und es gibt keine Skaleneffekte bei der Massenproduktion eines Produktes, da z.B. keine Gussform über die Produktion abbezahlt werden muss. Die Materialbandbreite beim 3D-Druck ist sehr groß. Je nach Material kommt ein anderes Druckverfahren zum Einsatz, gleich bleibt nur der schichtweise Aufbau. So lassen sich viele Metalle, Kunststoffe bis hin zu Keramik verarbeiten. Zusammengefasst: 3D-Druck ist kaum in seiner Formgebung eingeschränkt. Dafür ist er relativ langsam und die Produktionskosten bleiben immer gleich. Daher wird die Technologie vor allem für Einzelanfertigungen und Kleinserien genutzt, bei denen hohe Komplexitätsgrade vorliegen oder individuelle Anpassungen pro Objekt notwendig sind.

3D-Druck Hilfsprojekte

Nachfolgend stellen wir dir ein paar beispielhafte Projekte vor, bei denen 3D-Druck zur Verbesserung der Lebensqualität körperlich eingeschränkter Menschen positiv eingesetzt wird. Alle beschriebenen Projekte sind offen für Hilfsanfragen oder das Einbringen deines Engagements.

Enable the future | 3D-gedrukte Prothesen

Quelle: enable the future

Enable the future ist ein Zusammenschluss digitaler Humanisten, wie sie sich selbst nennen, die es sich zur Aufgabe gemacht haben, mithilfe ihrer 3D-Drucker kostengünstige Prothesen für die oberen Extremitäten für Kinder und Erwachsene zu produzieren. Alle Entwicklungen werden frei als Open Source mit Bauanleitung und 3D-Dateien für alle zugänglich auf einer Website hinterlegt. Die Community umfasst laut Website bis zu 10.000 Freiwillige und mehr, welche sich, über die ganze Welt verteilt, dazu bereit erklärt haben, bewegliche Prothesen für Menschen in Not zu produzieren und weiterzuentwickeln. Der Download-Katalog umfasst mittlerweile unzählige bewegliche Arm, Finger und Handprothesen, welche ständig weiterentwickelt werden. Was eine solche 3D-gedruckte Prothese ermöglicht, kann man hier beispielhaft im Video sehen.

Webseite: https://enablingthefuture.org/

Thisables | Bedienungsmodifikationen für Ikea-Möbel

Quelle: thisables

Thisables ist eine Kooperation zwischen der israelischen Ikea Milbat NGO und Access Israel über 3D-gedruckte Modifikationen für Ikea-Produkte, mit denen sich die Handhabung für körperlich behinderte Menschen verbessern lässt. Auf der Website findet sich z.B. eine Knopfvergrößerung für einen Lampenschalter, welcher es Menschen mit Störungen der Feinmotorik ermöglicht das Licht selbstständig zu bedienen oder ein Türgriff für den Unteram der sich nachträglich an einen Kleiderschrank anbringen lässt. Alle 3D-Dateien stehen offen zum Download zur verfügung und lassen sich mit handelsüblichen 3D-Druckern ausdrucken.

Website: https://thisables.com/en/

Touch Mapper | Ertastbare Karten für Sehbehinderte

Quelle: Touch Mapper

Touch Mapper ist eine browserbasierte Open-Source-Software, mit der man über eine einfache Eingabemaske Reliefkarten auf Basis von OpenStreetMap-Daten erzeugen kann. Das für Sehbehinderte optimierte tastbare Relief lässt sich kostenlos als fertige STL-Datei für den 3D-Druck herunterladen. So eine ausgedruckte Karte kann beispielsweise für Sehbehinderte Menschen zur Planung von Strecken oder zur Orientierung in öffentlichen Parks verwendet werden.

Website: https://touch-mapper.org/de/

Der Makerspace als Teil der Making-Community

Der 3D-Druck ermächtigt viele Menschen, sich selbst zu helfen. Der Einstieg ins Drucken ist schnell gelernt und bereits mit günstigen Druckern ab 200€ lassen sich alle oben gezeigten Projekte umsetzen. Einen Einführungskurs zum 3D-Drucken findet ihr immer wieder in unserem Programm und einen Leitfaden für den Druckerkauf haben wir auch bei uns auf der Seite [Link]. Wenn man sich selbst keinen Drucker kaufen kann oder möchte, kann man auf das wachsende Angebot von Makerspaces und Hackspaces zurückgreifen, die Drucker für eine kleine Gebühr oder für Vereinsmitglieder zur Verfügung stellen [zur Karte der Makerspaces]. Unser Makerspace ist hier besonders: Bei uns ist weder eine Mitgliedschaft oder Gebühr notwendig (zumindest für die ersten Projekte). Egal ob man erst Anfänger ist und von anderen entwickelte Hilfsmittel nutzt oder selbst kreativ wird und z.B. individuell angepasste Prothesen designet, jeder kann einfach jetzt anfangen. Die Anwendungsfelder und der Bedarf sind unendlich groß. Ein paar weitere Beispiele:

  • Greifhilfen für Menschen mit Arthrose oder Bewegungseinschränkungen durch Spastiken.
  • Individuell angepasste Bedienelemente wie Joysticks oder Knöpfe für Menschen mit Einschränkungen der Motorik wie Parkinson oder Lähmungen der Muskulatur.
  • Hebel und Griffe für ältere Menschen deren Kraft oder Mobilität eingeschränkt ist.
  • Taktile Karten und Lerngegenstände für Sehbehinderte Menschen.

Diese Beispiele sind nur ein kleiner Ausschnitt. Für uns zeigt sich in diesen jedoch die Möglichkeit des 3D-Drucks, Menschen durch 3D-gedruckte Hilfsmittel ein Stück Freiheit zurückgeben zu können.

Insgesamt legen wir im Makerspace Gießen großen Wert auf die gesellschaftliche Relavanz der von uns aufgenommenen Technologien. Diese sind aus unserer Sicht großartige Tools für eine lebenswerte Zukunft, wenn sie richtig eingesetzt werden.

Du willst helfen?

Du hast jetzt richtig Lust selbst aktiv zu werden, weißt aber nicht wie. Eine große Plattform die Hilfsbedürftige mit Hilfsbereiten vernetzt ist Makers making Change. Hier findest du auch eine Menge Ressourcen und Inspirationen.

Website: https://www.makersmakingchange.com/

Zudem kannst du dich bei allen oben genannten Websiten als Unterstützer registrieren lassen und wirst dann kontaktiert, wenn jemand deine Hilfe benötigt.

Du brauchst Hilfe?

Bei allen Angeboten, bei denen du deine Hilfe anbieten kannst, kannst du auch nach Hilfe fragen. Sei es bei makers making change oder bei enabeling the future. Wenn du aus Giessen oder der Umgebung kommen solltest, kannst du dich auch gerne direkt per Mail an uns wenden.