Warum Universitäten Makerspaces brauchen

Marcel forscht an der Justus-Liebig-Universität Gießen zu Landschaftsökologie und nutzt Drohnen und Sensorik, um Ökosysteme zu erfassen. Für seine Forschung braucht er eine individuelle technische Lösung und findet im Makerspace Gießen genau das, was er sucht: Werkzeuge, Wissen und eine offene Community. Schon nach wenigen Wochen entsteht gemeinsam mit anderen der erste Prototyp – gebaut mit Bauteilen aus dem 3D-Drucker, die nur ein paar Cent kosten, aber seine Forschung entscheidend voranbringen.

Marcel zeigt, wie stark offene Werkstätten Hochschulforschung unterstützen. Forschung lebt nicht nur von Ideen, sondern davon, dass man sie umsetzen kann. Und genau hier liegt die Stärke von Makerspaces: Sie bieten freien Zugang zu Werkzeugen, Materialien und einer Gemeinschaft, in der Wissen geteilt wird und Innovation entsteht.

Solche Geschichten zeigen, dass das Konzept des Makerspaces aufgeht. Sie machen sichtbar, wie Forschung offener wird, wie Wissen zurück in die Gesellschaft fließt und wie aus Ideen greifbare Lösungen entstehen.

Marcel war so lieb uns einen kurzen Beitrag über sein gesamtes Projekt zu schreiben. Hier könnt ihr ihn lesen:

Wenn Pflanzen Licht zurückwerfen – was wir daraus lernen können

Ein Blick in die Welt der Pflanzen mit Infrarotlicht

Pflanzen sind für uns Menschen in erster Linie grün – so sehen wir sie mit bloßem Auge. Doch was wäre, wenn wir sie mit anderen „Augen“ sehen könnten? Mit Techniken wie der diffusen Reflexionsspektroskopie ist genau das möglich: Wir messen, wie Pflanzen Licht zurückwerfen, auch in Bereichen, die unser Auge gar nicht wahrnimmt – zum Beispiel im nahen Infrarot. Und genau dort beginnt es spannend zu werden.
Denn das, was Pflanzen im Infrarotlicht reflektieren, verrät uns viel über ihr Inneres: wie viel Wasser sie enthalten, wie gesund sie sind, ob sie unter Stress stehen oder wie sie auf ihre Umwelt reagieren. Die Methode wird deshalb in der Pflanzenforschung immer wichtiger – auch bei uns.

Wie wir Reflexionsspektroskopie im Feld einsetzen

In unserem Forschungsprojekt MapFun, das Teil der Forschungsgruppe FORMULA gefördert durch die Deutsche Forschungsgemeinschaft DFG ist, untersuchen wir, wie sich Agroforstsysteme – also die Kombination von Bäumen und Ackerbau – auf Kulturpflanzen und Beikräuter auswirken. Eine unserer zentralen Fragen: Wie beeinflussen die Bäume das Wachstum, die Vitalität und den Stress der umgebenden Pflanzen?

Dazu verwenden wir ein Spektrometer, das mithilfe einer stabilen Lichtquelle das reflektierte Licht von Blättern misst. Dieses Licht wird dann mit einer hellen, weißen Referenz verglichen – quasi dem „Standardweiß“, das über 90 % des Lichts im gesamten Spektralbereich zurückwirft.

Das Spektrometer misst jedoch nicht die gesamte Blattfläche, sondern nur einen kleinen, etwa drei Millimeter großen Kreis – und dieser Bereich ist auf dem Gerät nicht markiert. Besonders bei kleinen Blättern war das eine echte Herausforderung.

Deshalb haben wir uns eine praktische Lösung einfallen lassen: Mithilfe des Makerspace Gießen haben wir spezielle Halterungen – sogenannte Trägerplatinen – entwickelt und im 3D-Druck hergestellt. Diese bestehen aus zwei Teilen: einer festen Unterseite, die am Gerät fixiert wird, und einer Oberseite mit einem Loch von fünf Millimetern Durchmesser. Zwischen beiden wird das Blatt eingespannt – und das Licht trifft dann immer zuverlässig die richtige Stelle. Das sorgt für wiederholbare und vergleichbare Messungen (siehe Abbildung 1).

Abbildung 1 – Links: Unterseite der Trägerplatine mit kleinem Blatt. Das rote Rechteck markiert die Messfläche des Geräts, der gelbe Kreis den tatsächlich gemessenen Bereich. Rechts: vollständige Trägerplatine mit eingeklemmtem Blatt.

Von einzelnen Blättern zum ganzen Feld

Doch wir wollen nicht nur einzelne Blätter untersuchen – wir wollen verstehen, wie es den Pflanzen auf dem ganzen Acker geht. Dafür setzen wir in einer weiteren Studie innerhalb des Projekts eine Drohne mit hyperspektraler Kamera ein. Diese Kamera liefert für jedes einzelne Bildpixel ein vollständiges Lichtspektrum vom sichtbaren Licht bis ins Nahinfrarot – ähnlich wie unser Spektrometer, nur aus der Luft.

Damit wir später am Computer unterscheiden können, welches Spektrum von einer Pflanze stammt und welches vom Boden, haben wir auch Bodenspektren aufgenommen. Das klingt einfacher, als es ist: Die empfindliche Messsonde unseres Spektrometers muss dafür ganz nah und lichtdicht auf die Bodenoberfläche aufgesetzt werden – eine Herausforderung auf unebenem Untergrund.

Auch hier half uns der Makerspace Gießen. Wir haben eine neue Lichtdichtung aus weichem Silikon entwickelt, die in 3D-gedruckten Formen gegossen wurde. Zusammen mit einem maßgefertigten Aufsatz sorgt sie dafür, dass die Sonde gleichmäßig aufliegt – auch auf rauem Boden. Die ersten Einsätze zeigen: Die Lösung funktioniert hervorragend (siehe Abbildung 2).

Abbildung 2 – Messung von Bodenspektren mit der neu entwickelten Lichtdichtung.

Forschung zum Anfassen – und zum Weiterdenken

Was hier vielleicht ein wenig nach Tüftlerwerkstatt klingt, ist in Wahrheit ein wichtiger Baustein für moderne Umwelt- und Agrarforschung. Mit Licht und ein bisschen Erfindergeist gelingt es uns, Pflanzen besser zu verstehen – und herauszufinden, wie sie auf neue Anbausysteme und Umweltveränderungen reagieren.

Ob mit selbstgebauten Blattaufnahmen oder maßgeschneiderten Lichtdichtungen: Unsere Erfahrungen zeigen, wie viel Potenzial in der Verbindung von Forschung, Technik und Kreativität steckt. Und manchmal führt ein kleiner Lichtstrahl zu ganz neuen Erkenntnissen.

Marcel Dogotari (1,2), Harley Lara (2), Veronika Irmscher (1), Till Kleinebecker (1,3), André Große-Stoltenberg (1,3)

(1) Institute for Landscape Ecology and Resources Management (ILR), Justus Liebig University Giessen, Germany

(2) Earth Observation Lab (EOLab), Rhine-Waal University of Applied Sciences, Kamp-Lintfort, Germany

(3) Centre for International Development and Environmental Research (ZEU), Justus Liebig University Giessen, Germany