Anfang 2024 haben wir uns relativ spontan entschieden, unsere erste Tagung im Makerspace durchzuführen. Das Makerspace Netzwerk ist gut gewachsen und eine dritte Runde steht für 2024 an. Schulen und Bibliotheken setzen vermehrt auf Makerspaces als Lernräume und so hatten wir unser Tagungsthema sofort parat: „Makerspaces als neue Lernformate und -orte“. Da wir auch in der Lehrerfortbildung tätig sind und jedes Jahr über ein Dutzend Schulworkshops geben, kennen wir die beiden Akteure (Bibliotheken & Schulen) ganz gut. Aus diesem Kreis setzte sich dann sowohl die Teilnehmerschaft als auch die Vortragenden zusammen. Die Impulse werden hier auszugshaft dargestellt und am Ende sind auch die Ergebnisse des World Café abgebildet.
Unser Beitrag auf der Tagung
Wir haben unsere Geschichte, die zugrundeliegende Philosophie und die Erfolge unserer mittlerweile 6 Jahre Arbeit des Makerspace Gießen auf der Tagung vorgestellt. Wir starteten mit einem humorvollen Rückblick auf unsere ersten kläglichen 3D-Drucke, die uns aber trotzdem verdammt stolz gemacht haben. Damals, 2018, war 3D-Druck noch ein echtes Novum und auch heute noch erleben viele Menschen bei uns zum ersten Mal die Magie (ja, entschuldigt den Wortwitz), wie aus einer digitalen Idee ein physisches Objekt entsteht.
Unser Einstieg war noch recht klein: Ein dreimonatiger Pilotversuch mit 3D-Druckern, einer VR-Brille und ein paar Lötkolben und PCs in einer Zwischennutzung. Für die komplette Ausstattung inkl. Mobiliar, Gerätschaften und Verbrauchsmaterial hatten wir unter 5.000 € zur Verfügung. Wir haben also selbst erlebt, was es heißt, mit begrenzten Mitteln, Projekte zu realisieren.
Mittlerweile sind wir im fünften Jahr in der Walltorstraße 57 auf über 400 Quadratmetern zu Hause und entwickeln jedes Jahr neue Inhalte für unsere Besucher:innen. Was uns dabei bis heute besonders wichtig ist: Niederschwellige, offene und freie Bildung im Bereich digitaler Technologien. Ein zentraler Teil unserer Vision ist es, Gießen zum Leuchtturm digitaler Bildung zu machen. Damit dieser Gedanke weitergetragen wird, haben wir das „Makerspace Netzwerk“ ins Leben gerufen. Mit diesem Netzwerk ermöglichen wir es Bibliotheken, Schulen und anderen Institutionen, ganz ohne Vorkenntnisse eigene Mini-Makerspaces einzurichten.
Unser Rundum-Sorglos-Paket umfasst alles Notwendige: von Train-the-Trainer-Schulungen, Vorlagen, Sicherheitshinweisen bis hin zu Checklisten und Videokursen. Mittlerweile gibt es 11 Mini-Makerspaces in Hessen und jedes Jahr kommen weitere hinzu. Interessierte können sich einfach per Mail (mail@makerspace-giessen.de) bei uns melden und wir senden die Konditionen zu. Speziell für gemeinnützige und kleine Institutionen bieten wir günstigere Konditionen an, sodass wirklich jeder mitmachen kann. Die Erlöse fließen wiederum in unsere gemeinnützige GmbH und werden zur Kostendeckung und Weiterentwicklung des Makerspace Netzwerks genutzt.
Unser Ansatz setzt dabei stark auf den Menschen und die Inhalte. Motivation & Lust am Lernen stehen immer vor der Anschaffung neuer Maschinen. Deswegen haben wir auch unser Konzept der Vielschwelligkeit entwickelt, das es jedem, unabhängig vom Vorwissen, ermöglicht, sich zu integrieren und zu begeistern. Vielschwelligkeit bedeutet dabei, dass für jede:n Interessierte:n eine passende Einstiegsstufe vorhanden ist. So kommt jemand vielleicht zum ersten mal ganz unverfänglich in unserer Ausstellung mit einer neuen Technologie in Kontakt, sieht andere Menschen bei einem Projekt und involviert sich so Schritt für Schritt in neue Themen. Expert:innen können direkt mit eigenen Projekten starten, haben aber die Möglichkeit anderen unter die Arme zu greifen. So entsteht eine Community von Macher:innen!
Ein weiterer Clou unseres Ansatzes ist die Kostenfreiheit: Durch ein Solidarmodell können diejenigen, die etwas haben, gerne etwas geben und diejenigen, die nichts entbehren können, sind dennoch herzlich willkommen. Unsere Erfolge zeigen, dass unser Konzept aufgeht – nachzulesen z.B. im Jahresrückblick 2023.
Unsere Philosophie in drei knackigen Punkten:
- Lernen durch Machen! Wir sind bis heute selbst flammende Autodidakten.
- Menschen > Inhalte > Gerätschaften
- Fokus!
Es reicht bereits mit einer Technologie zu beginnen. Aus unserer Sicht eignet sich dafür der 3D-Druck immer noch am besten, da er eine so steile Lernkurve hat, wie kaum eine andere Technologie. Die Nutzer:innen sollten dabei inhaltlich nicht einschränkt werden: Alles ist möglich, von einer Spielfigur über ein Erstazteil bis hin zu einem hochtechnischen Prototypen. 3D-Drucker sind günstig in der Anschaffung und lassen sich auch in kleinerer Stückzahl noch gut auf kleinem Raum unterbringen. Nicht zuletzt ist der 3D-Druck eine exemplarische Technologie-Prozesskette für die Digitale Produktion, anhand derer man wunderbar spielerisch den generellen Ablauf zeigen kann: Idee → Digitales Modell → Produktionsvorbereitung → Digitale Produktion
Zum Abschluss unseres Vortrags erhielten alle Anwesenden Zugang zum 3D-Druck Kurs in der Online-Akademie des Makerspace Gießen – getreu unserem Motto „Lernen durch Machen!“
Stadtbücherei Frankfurt – 3D-Druck als Einstiegsdroge
Unter dem Punkt „3D-Druck in deiner Bibliothek – Erfahrungen, Herausforderungen, Erfolge“ nahm uns Carolin Helfmann von der Stadtbücherei Frankfurt mit auf eine spannende Reise. Die Frankfurter Stadtbücherei sollte man nicht unterschätzen. Mit ihren 19 Standorten und 187 Mitarbeiter:innen, 680 Engagierten im Ehrenamt und rund 1,2 Millionen Besucher:innen pro Jahr spielt sie schon in der Champions-League.
Carolin leitete ihren Vortrag mit einem kleinen Rätsel ein: „Wie konnten mit dem 3D-Druck mindestens 4.000 € gespart werden?“ Für die Auflösung mussten wir bis ganz zum Schluss warten 😉
Innerhalb des Projekts „3D-Druck in deiner Bibliothek“, das vom Makerspace Gießen mit dem dbv und der Hessischen Fachstelle öffentlicher Bibliotheken durchgeführt wurde, startete die Stadtbücherei Frankfurt als Teilnehmerin des Pilotprojekts. Die Mission: Neue Technologien in Bibliotheken durch die Einrichtung von Mini-Makerspaces zu verankern. Klingt kompliziert, ist es aber nicht. Es geht einfach um den Ausbau des Angebots und um das Mitgestalten des digitalen Wandels in der Stadt Frankfurt am Main. Dabei sind insbesondere die Bereiche Making und MINT von Interesse. Das Langzeitziel lautet naturgemäß: Makerspaces auch in den generationsübergreifenden Creative Lab-Räumen im Bibliothekszentrum Nordweststadt und anderen Standorten wie der Zentralbibliothek zu etablieren.
Bisher sehen die Zahlen schon beeindruckend aus: Mit vier eigenen 3D-Druckern, monatlichen Einführungsworkshops an zwei Standorten und einem Video-Tutorial auf der Homepage hat die Stadtbücherei bereits ordentlich Fahrt aufgenommen. Einen besonderen Beitrag leistet dabei die KreativSchmelze, eine monatliche 3D-Druck-Werkstatt, geleitet von einem engagierten Ehrenamtlichen. Übrigens wurden die 3D-Drucker durch den VDI Bezirksverein Frankfurt-Darmstadt e.V. finanziert – ein Modell das auch für andere Institutionen funktionieren könnte.
Herausforderungen für die Stadtbücherei waren der Aufstellort der Drucker sowie die Steuerung des Zugangs. Beide Probleme konnten aber mit ein wenig Ausprobieren gelöst werden. Auch in Zahlen ausgedrückt, hat das 3D-Druck-Projekt bereits beachtliches geleistet: Acht Team-Mitglieder, fünf abgehaltene interne Workshops, 52 geschulte Kolleg:innen, 29 öffentliche Veranstaltungen und 195 Teilnehmer:innen – sowie unzählige Stunden Druckzeit und sechs Kilogramm Filamentverbrauch. Aber damit ist noch lange nicht Schluss! Aktuell arbeitet das Team, gemeinsam mit der Hochschule Darmstadt, an der Etablierung eines 3D-Scan-Angebots und konkretisiert die Idee des „3D-Druck on Tour“ (Arbeitstitel).
Die Lösung des Rästels war simpel, aber genial. Die Bodenaufsteller der Bibliothek hatten abgebrochene Halterungen und hätten eigentlich entsorgt werden müssen. Die kleinen Ersatzteile wurden einfach ausgedruckt – und tadaa! – teure Neuanschaffungen oder Reparaturen konnten vermieden werden.
Es zeigt sich: Die Zukunft des Lernens und Entdeckens hat in der Frankfurter Stadtbücherei bereits begonnen. Und mit solchen kreativen und innovativen Köpfen wie Carolin Helfmann und ihrem Team kann man nur gespannt sein, was die Zukunft noch bringen wird.
Makespaces im schulischen Kontext
Jochen Leeder, Leiter des regionalen Medienbildungszentrums Gießen-Vogelsbergkreis MAUS-Zentrum, nahm uns auf der Tagung mit in die Planung und Gestaltung seines Makerspaces. In seinem Vortrag „Lernraum Makerspace“ betonte Jochen, dass Lernräume nicht auf das Schulgebäude oder den Klassenraum beschränkt sein sollten. Gerade außerschulische Lernorte und digitale Plattformen erweitern den Horizont eines Lernenden.
Sein Reise in die Welt des Makerspaces begann, als er das Makerspace Gießen besuchte. Beeindruckt von dem Konzept, trat er im Jahr 2022 vor die Herausforderung, einen eigenen Makerspace zu planen, da es hierfür eine Förderung gab – mit besonderem Fokus auf die Lehrerfortbildung. Sein Anspruch war es, einen Lernraum zu gestalten, der nicht nur Materialien, Werkzeuge und Technologie bereitstellt, sondern auch die Lehrkräfte zum Nachdenken anregt. So sollte jede Lehrkraft, die das Medienzentrum aufgrund einer Fortbildung besucht, die Möglichkeit bekommen, den Maker-Gedanken kennen und schätzen zu lernen.
Mit 190 Quadratmetern im MAUS-Zentrum, von denen zwei Räume als Makerspace zur Verfügung stehen, konnte er ein vielfältiges Raumkonzept realisieren. Der Hauptfokus liegt dabei auf den drei verschiedenen Lernräumen „Fortbildung – Übung“, „Freiraum“ und „Makerspace“. Hierbei geht es nicht nur um die Vermittlung von Wissen, sondern auch um die Schaffung von Raum für Autonomie, Selbststeuerung und kreative Arbeit. Das Raumkonzept ist modular gehalten, so dass in den zwei Räumen mehrere Funktionen erfüllt werden können.
Doch die Herausforderungen, vor denen Schulen und Bibliotheken stehen, sind nicht zu unterschätzen. Lernräume müssen so gestaltet werden, dass sie nicht nur den aktuellen, sondern auch zukünftigen Anforderungen entsprechen können. Für diese Herausforderung hat das Medienzentrum ein ausführliches Nutzungskonzept für den Makerspace erarbeitet. Dieses umfasst unter anderem Raumkonzept, Schulungskonzept, Datensicherheit und -verwaltung, Ressourcen, Verbrauchsmaterial, Evaluation und Feedback.
Ausgestattet mit 3D-Druckern, Lasercutter, Stickmaschine, Schneidplotter und einem A3-Farblaser bietet der Makerspace alles, was das Maker-Herz begehrt. Ergänzt wird der Makerspace durch einen Robotikraum mit flexiblen Tischgarnituren, Roboterarm, humanoidem Roboter, Lego Spike Programmierkästen, bluebots, programmierbaren Tello Talent Drohnen, verschiedenen 3D-Scannern, Arduino Sense Boxen und VR- sowie AR-Brillen.
Die Nutzung des Makerspaces ist jedoch an einige Bedingungen geknüpft: Sowohl Lehrkräfte als auch Schülerinnen und Schüler müssen die Geräte fehlerfrei bedienen können und alle Sicherheitseinstellungen beherrschen. Zudem ist eine Schulung im MAUS-Zentrum eine grundlegende Voraussetzung für die Nutzung des Makerspaces. Die Lehrkraft soll sich dabei nicht einfach nur „zurücklehnen“, sondern selbst aktiv werden. Sowohl Lehrer:innen als auch Schüler:innen sollen etwas lernen und Neues erfahren können.
Jochen Leeders Vortrag machte deutlich, dass die Einrichtung von Makerspaces neben technischem Verständnis auch Mut zur Innovation und eine gehörige Portion Planung erfordert. Doch die Ambitionen und Visionen von Jochen und seinem verhältnismäßig kleinem Team haben eindrucksvoll gezeigt, wie Makerspaces als neue Lernformate und -orte die Zukunft des Lernens prägen können.
Austausch im World Café
Das World Café war ein wunderbarer Rahmen, um die angestaute Energie aus drei Vorträgen loszulassen. Im rotierenden Gespräch konnten Ideen ausgetauscht und neue Kontakte geknüpft werden. Die Ergebnisse können den folgenden Bildern entnommen werden.
Danke an alle Teilnehmenden unserer Tagung & besonders natürlich den beiden Referent:innen! Wir freuen uns schon auf die vielen Impulse aus dem Makerspace Netzwerk im kommenden Jahr 🙂