Virtueller Forschungsabend – Trends aus der KI – Forschung

Bei unserem, bereits vierten, Impulsabend diesen Jahres warfen wir mal wieder einen Blick hinter die Kulissen der regionalen Forschungslandschaft. Gemeinsam mit vier spannenden Referent:innen widmeten wir uns am 04. November den aktuellen Fragestellungen und Anwendungsfällen der Künstlichen Intelligenz in der Forschung. Diese Impulsabendreihe zum Thema Künstliche Intelligenz wird durch unsere Kooperation mit dem Projekt „KI für Startups“ des TIG ermöglicht. Die Impulsabende sind fester Bestandteil unserer Makerspace Philosophie und dienen dazu „ein allgemeines Verständnis für hochaktuelle Themen zu schaffen und wertvolle Netzwerke zwischen verschiedenen Institutionen und der breiten Bevölkerung zu knüpfen“ wie Maurice Jelinski vom TIG zu Beginn des Abends treffend einleitete.

KI in der Klimaforschung [Videoabschnit: 00:03:50 – 00:35:10]

Der Abend wurde von Dr. Elena Xoplaki und Niklas Luther von der Justus-Liebig-Universität Gießen eingeleitet. In ihrer Abteilung für Klimatologie, Klimadynamik & Klimawandel suchen sie nach ganz konkreten Möglichkeiten KI für die Klimaforschung gewinnbringend einzusetzen und sind damit in Gießen brandaktuell am Zeitgeschehen auf der Weltbühne. Zum einen zeigt dies die Auseinandersetzung mit dem Klimawandel in der Öffentlichkeit, wie derzeit bei der UN-Klimakonferenz in Glasgow, und zum anderen der sprunghafte Anstieg an veröffentlichten Wissenschaftsarbeiten zum Thema KI und Klima in den letzten drei Jahren. Während früher in der Klimaforschung das Problem die unzureichende Datenlage war, stellt uns die heutige Datenfülle vor neue Herausforderungen bei der Auswertung. Hier kommt das sog. Deep-Learning ins Spiel, eine Methode, bei der neuronal Netze zur Informationsverarbeitung eingesetzt werden. So können aus großen Datenmengen beispielsweise Vorhersagen über Wetterextremereignisse getroffen werden, wie wir sie hier jüngst in Deutschland im Aartal erleben mussten.

Die Dritte Welle der KI: [Videoabschnit: 00:35:50 – 01:09:40]

Prof. Dr. Michael Guckert von der Technischen Hochschule Mittelhessen berichtete über die sog. Dritte Welle der Künstlichen Intelligenz. Während in der ersten und zweiten Welle Expertensysteme und statistisches Lernen im Fokus standen, geht es nun darum ganz konkret zu erkennen, wie eine künstliche Intelligenz zu bestimmten Ergebnissen kommt. Durch das Öffnen der bisherigen Blackbox KI, kann bei der Datenverarbeitung und Auswertung nun auch der Kontext mit einbezogen werden. Zur Veranschaulichung skizziert Herr Prof. Guckert den Fall eines autonomen Assistenzsystems beim Autofahren, welches mit einer Geschwindigkeitsangleichung auf ein Tempo 100 Schild reagiert. In der zweiten Welle der KI (statistisches Lernen) hätte das System auf eine Geschwindigkeitsanpassung reagieren, unabhängig wo das Tempo 100 Schild angebracht gewesen wäre. In der dritten Welle der KI (Kontext und Erklärung) würde die Geschwindigkeit je nach Kontext angepasst. D.h. wenn sich das Schild beispielsweise nach einem Ortseinfahrtsschild befinden würde, würde das System dies mit berücksichtigen und die Anpassung nicht auf 100 vornehmen, ohne die Geschwindigkeitsbeschränkung von 50, innerorts, mit zu berücksichtigen.

KI in der Humanmedizin und Tierzucht: [Videoabschnit: 01:10:10 – 01:39:15]

Prof. Dr. Alexander Goesmann von der JLU ermöglichte uns einen Einblick auf den Einsatz von KI-Modellen bei der Untersuchung von Antibiotikaresistenzen bei Bakterien in der Humanmedizin und Tierzucht. Das Thema Antibiotikaresistenzen (auf engl. AMR = antimicrobial resistance) ist jetzt schon brisant und wird in der Zukunft zu einer großen Herausforderung werden. Vereinfacht gesagt bedeutet das, dass viele Antibiotika für die Behandlung von Erkrankungen nicht mehr eingesetzt werden können, weil sie nicht mehr gegen die entsprechenden Bakterien wirken. In einer Studie der WHO wird dargelegt, dass bis zum Jahre 2050, 10 Millionen Menschen jährlich an resistenten Keimen sterben werden, wenn wir heute nicht dagegen vorgehen. Prof. Goesmann, arbeitet als Bioinformatiker zusammen mit einem interdisziplinären Team aus Mikrobiologen und KI-Experten der JLU und der Universität Marburg an genau dieser Herausforderung. In ihrem Deep iAMR-Projekt sequenzieren Sie das Genom von Bakterien und suchen dabei nach entsprechenden Genen und weiteren Faktoren die für die Resistenzen verantwortlich sind. Durch ein besseres Verständnis der Resistenzenbildung lassen sich zusätzliche Behandlungsmethoden finden und zukünftige Resistenzen vorhersagen. Die Sequenzierung, d.h. die Untersuchung der DNA-Bausteine geht mit großen Datenmengen einher, die mithilfe von Deep-Learning Ansätze bewältigt werden können.

Social Biases in der KI [Videoabschnit: 01:40:00 – 02:06:36]

Durch den Einsatz von KI-Modellen lassen sich riesige Datenmengen analysieren, auswerten und Vorhersagen treffen. Das ermöglicht uns beispielsweise Unwetter vorherzusagen oder, wie wir eben erfahren haben, Krankheiten besser zu verstehen und somit auch bessere Therapiemethoden zu entwickeln. Mit großer Macht kommt große Verantwortung und so ist es auch bei der Arbeit mit KI-Modellen. Angelie Kraft, Mitgründerin von AdaLab, ermöglicht uns mit ihrem Impuls ein etwas besseres Verständnis für diese Verantwortung zu entwickeln. In ihrer Forschungsarbeit an der Universität Hamburg befasste Sie sich mit sozialen Vorurteilen, sog. social biases, die bei dem Einsatz von KI-Sprachmodellen auftreten können. Sog. Sprachmodelle werden beispielsweise zur Texterkennung, bei Chat-Bots und der künstlichen Texterstellung eingesetzt. Die Fehler, die dort auftreten, drücken menschliche Vorurteile und Fehlannahmen aus und stellen uns vor ethische Herausforderungen. Beispielsweise werden in diesen Sprachmodellen Menschen mit muslimischem Hintergrund überproportional oft mit Gewalt in Verbindung gebracht, auch wenn dies statistisch nicht der Fall ist. Der Ursprung dieser Fehler lässt sich in der Auswahl der Trainingsdaten für diese Sprachmodelle finden, die zu großen Teilen aus dem Netz von bekannten Plattformen wie Wikipedia und Reddit stammen. Diese Plattformen werden überwiegend von weißen Männern genutzt bzw. gestaltet und spiegeln demnach inhaltlich oft auch deren Weltanschauung wider.

Das Projekt „KI für Startups“ des Technologie- und Innovationszentrums Gießen wird gefördert aus EFRE-Mitteln der EU und Mitteln des Landkreises Gießen.